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12
Okt
2011

Leben an Bord eines Frachters

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Bevor ich mit meinen neuen Storys anfange, möchte ich an dieser Stelle einige Fragen beantworten. Meine 1. Äquatortaufe war nicht so spektakulär. Wir mussten 5-6 rohe Sardienen die mit Tabasco gefüllt waren und eine Habanero (scharfe Chillischote) essen, dann ein Glas Stroh Rum trinken und dann mit einem 50 kg Gewicht 5 mal vom Peildeck zum Bug und zurück laufen. Dann nochmal ein Glas Rum mit Knoblauchsaft trinken und das war es auch schon. Uns hat es jedenfalls gereicht. Ich glaube das ich deshalb eine Aversion gegen Knoblauch habe.

Die 2. Frage war, ob ich immer ein braver Junge gewesen bin. Dies muss ich mit jein beantworten. Denn auf See ging es ja wegen der Sicherheit nicht. Aber wenn wir zusammen an Land gingen, ging da manchmal ganz schön die Post ab und wir ließen sprichwörtlich das Tier raus aus dem man Schinken und Schnitzel macht. Das dazu.

Nun eine kurze Beschreibung meiner Kammer. Sie war ca. 8-10 qm groß. Ausgerüstet mit Koje, Kleiderschrank, Bücherregal, 2 Stühle, Tisch, eine Bank sowie  ein Waschbecken mit Spiegel. Meine Kammer befand sich auf der Backbord Seite. Unsere Arbeiten auf See waren hauptsächlich Rostkloppen, Pönen und Ladegeschirr überholen.

Meine Lieblingsarbeit war das Mast streichen. Das ging so: Ganz oben im Masten wurde ein Stertblock (einscheibiger Block mit einem ca. 1 m langen Tau) befestigt . Dann wurde  eine Leine von  2,5 facher länge des Mastes (Beispiel Masthöhe 25 m, also brauchten wir ca. 60m Leine) in den Block eingeführt und am Ende der Bootsmannsstuhl befestigt. Ich setzte mich dann oben in den Stuhl und zog mir mit einer anderen Leine Farbe, Rolle und Kuttenlecker (flacher Heizkörper Pinsel) hoch. Nach einem fertig gestrichenen Abschnitt ließ ich mich per selbstfierer (bei der Marine verboten) etwas abwärts, bis der Mast fertig war. Nach Feierabend duschen, abendessen und je nachdem was ich für eine Seewache hatte, etwas lesen trinken oder mit meinen Kameraden noch draußen etwas reden. Danach in die Koje.

Vor Beginn meiner Wache ließ ich mich immer eine halbe Stunde früher wecken, sodas ich 10 Min früher auf der Brücke  erschien, um mir die Infomationen zu holen. Es heißt ja: "5 Min vor der Zeit ist des Seemaans Pünktlichkeit". Das war ein ganz normaler Arbeitstag.

Was habe ich in meiner Freizeit gemacht? Meistens gelesen (Romane aller Art). Karten und Briefe an die Familie, Freunde und Bekannte geschrieben. Mein Persöhnlicher Rekord waren 26 Karten und 15 Briefe in einer Nacht. Wenn unser Kapitän 2 mal die Woche die Kantine öffnete, schrieben wir ein Ticket auf dem wir schrieben was wir brauchten. Abgerechnet wurde dann Ende des Monats mit der Heuer. Die Preise waren gut und billig, da wir an Bord Zollfrei einkaufen konnten. Hier einige Preisbeispiele!
Kiste Bier 4 DM, Softdrinks pro Kiste 3 DM, 1 Stange Zigaretten 5 DM und eine Liter Flasche Spiituosen z.B Chivas Reagel 8 DM. Das waren unsere Kantinen Preise.

Nun aber zu einigen meiner Reisen, und was ich da erlebte. Nach einem Heimaturlaub sollte ich mich in Ravenna (Italien) an Bord melden. Leider hatte meine Reederei vergessen mir ein Flugticket zu buchen. Deshalb sendeten Sie mir per Eilboten eine Bahnfahrkarte 1. Klasse von Kamen/Westf. über Dortmund, Basel, Zürich, Genua nach Ravenna. Am nächsten Tag ging die Reise los - 18 Stunden Zugfahrt. Ich kann euch sagen, das war Stress pur. Aber ich habe es trotzdem geschafft. Die Linie die wir fuhren war Ravenna - Piräus. Um nach Piräus zu kommen fuhren wir immer durch den Korinth Kanal. Allein der Anblick war und ist immer noch eine Augenweide. Falls es Euch mal bei einer Kreuzfahrt ins Mittelmeer verschlägt, solltet ihr unbedingt eine Passage hindurch machen.

Hier einige Daten dazu:

Länge :         6346 m
Breite  :        21-24 m
Max Höhe  :      84 m
Wassertiefe  :     8 m

Nach dem Anlegen, Laden und Löschklar machen hatten wir Feierabend. Um groß an Land zugehen hatten wir keine Lust, aber wenn wir aus dem Hafentor gingen war gegenüber ein Restaurant in das wir zum Essen gingen. Als der Wirt merkte, das unser Schiff jede Woche festmachte reservierte er uns immer einige Tische. Unser Lieblingsessen waren dann jedesmal frittierter Calamari, Krabben oder andere Spezialitäten. Dazu tranken wir Ouzo oder den schweren Griechischen Rotwein. Das war es von Griechenland. Schade das ich nach der langen Zeit keine Fotos mehr davon habe, aber es war eine schöne Zeit.

Unsere nächste Reiseroute war La Spezia, Dubai, Bombay (heute Mumbai), Kenia und zurück. In La Spezia fanden wir auch da schon nach kurzer Zeit eine Stammkneipe die uns allen zusagte. Sie hieß Bar 900, oder wie der Italiener sagt: Bar Nove Cento. Hier trafen wir uns alle beim Landgang, sogar unsere Offiziere mit denen wir dann per Du waren. Aber sobald das Schiff in Sicht kam, sagten wir wieder Sie zu Ihnen. Zurück zur Bar! Hier stand ein Flipper an dem meine Kollegen und ich eine Runde ausspielten. Das Dosen Bier was wir nicht mehr schafften, nahmen wir mit an Bord. Ein anderes Getränk was wir mochten war China Martini mit Zitronenlimo. Solange es kalt war schmeckte es uns, aber wehe man kam an die frische Luft. Junge Junge das haute einen um. Am nächsten Tag hatten wir einen Kopf, das wir dachten uns hat ein Pferd getreten, oder einen Bienenschwarm im Gehirn.

In meinem Profil habe ich ja auch angegeben, das ich gerne koche. Das habe ich an Bord durch einen dummen Zufall gelernt. Das kam so. Auf der Rückreise von Port Said bekamen wir den Ausläufer eines Sturmes mit. Das Schiff rollte von Backbord nach Steuerbord. Unser Smut hatte sich bei einem Sturz am Niedergang zum Kühlraum den Fuß verstauchte. Weil ich Ihn schon des öfteren geholfen hatte wurde ich in die Kombüse beordert. Da ich aber nicht wusste was ich kochen sollte, fragte ich ihn was es geben soll. Unser Smut sagte dann ich soll Steaks mit Kartoffeln und als Beilage Spargel machen. Ich wusste aber nicht wie ich den Spargel zubereiten sollte. Er meinte nur: Dose auf Spargel mit dem Spargelwasser in einen Topf und erhitzen. Das hörte unser Leitender Ingenieur und gab mir den Tipp, zu dem Wasser kommt Salz, Pfeffer, Sahne und eine Prise Muskat. Dann alles mit Butter binden und schon hatten wir eine Beilage. Ich bekam deswegen auch ein Riesenlob von allen. So habe ich das kochen gelernt und es macht mir bis heute noch riesigen Spass. Vor allem koche ich gerne Westfälische Eintöpfe und andere Speisen aus unserer Region wie z.B Oldenburger Ananas (Steckrübeneintopf) oder Pfeffer Potthas (Fleischeintopf aus dem Münsterland). Besonders gerne esse ich auch Fisch und Norddeutsche Spezialitäten. Aber was mir bis heute einfach nicht gelingen will ist Labskaus, da ich das Originalrezept nicht habe.

 

Das war es fürs Erste, weitere Geschichten und Erlebnisse werden folgen.


Kommentare (2)

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Lieber Siggi, das hast Du wieder mal wunderschön erzählt. Echt klasse.
Gute_Seele , 19. Oktober. 2011, 18:30
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Eine schöne Zeit für dich
Hallo Siggi, wirklich schade das du keine Fotos von damals mehr hast. Aber ich kann es mir vorstellen. Wie lange ist es her?? bin auf die nächsten Geschichten gespannt..smilies/smiley.gif
hoschu , 22. Oktober. 2011, 20:38
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Autor: Siggi

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